John Jeremiah Sullivan "Pulphead Vom Ende Amerikas"


Ich bin so leicht zu begeistern. Gerade habe ich mich noch euphorisch über Florian Illies "1913" gefreut und schon kommt das nächste geniale Buch daher. John Jeremiah Sullivans "Pulphead".

"Pulphead" ist kein Roman (ist 1913 auch nicht) aber auch kein richtiges Sachbuch (dito). Vielmehr ist es eine Sammlung von Sullivans Essays und Reportagen. Er schreibt über den Zustand der USA, über das politische System, über Kultur und Religion, über Bildung und über die Menschen, die ihm begegnet sind. Das Time Magazine schreibt: "David Foster Wallace und Hunter S.Thompson sind tot, Tom Wolfe ist so gut wie in Rente - es gibt also nicht mehr viele Autoren, die genügend Mumm und Grips haben, um es mit unserer Kultur aufzunehmen. Die sich nicht von dem ganzen Schwachsinn einschüchtern lassen. Sullivan ist einer von ihnen." Prima Zusammenfassung.

Mit großer Begeisterung, mit Freude an dem geschriebenen Wort habe ich das Buch verschlungen (eigentlich hatte ich es meinem Liebsten zu Weihnachten geschenkt...). Manches in erstaunlich an dem Buch.

Zu einen, es ist ein Sachbuch und die lese ich höchst selten (eigentlich nur wenn ich muss). Hier sind Texte, die in Zeitschriften erschienen sind, gesammelt. In Deutschland dürften die nicht sehr lang sein, schon gar nicht, wenn sie in der "GQ" veröffentlicht worden wären. Ganz das Gegenteil passiert hier. Gleich der erste Text "Auf diesem Rock will ich meine Kirche bauen" breitet sich auf 42 ! Seiten aus. Und jede einzelne davon ist ein Vergnügen!

Glaubt ihr nicht? Hier der Beweis: Upon this Rock in der GQ 

Überhaupt Texte aus der Gentlemen Quarterly? Die blättert man doch höchstens wegen der Fotos durch (Daniel Craig hat sehr blaue Augen!). In der amerikanischen Ausgabe ist das offensichtlich anders. Dort erscheinen Sullivans Texte in voller Länge und sie sind eben besagte 40 Seiten lang.

Zum anderen: Er schreibt über Dinge, für die ich mich eigentlich nicht die Bohne interessiere. Dennoch wollte ich das Buch ganz schnell durchlesen. Gut auch, wenn man einen Computer gleich neben sich liegen hat, um den Hintergrund noch ein wenig zu vertiefen. Wobei das für das Verständnis des Textes und seiner Botschaften nicht notwendig ist. So lese ich mich also nicht nur durch einen Text über christliche Rockmusik, Axl Rose und Michael Jackson, sondern erfahre auch noch etwas über das abstruse Leben von The MIZ aus MTV Real World (Für mich war nach dem tragischen Tod von Pedro Zamora Schluss, was sollte danach noch kommen.) und Peyton Swayer aus One Tree Hill. Bei den Texten geht es Sullivan vor allem um einen Statusbericht über die kulturelle Befindlichkeit der USA. Er macht das schlau, nicht mit dem gehobenen Zeigfinger desjenigen, der am Rand steht und voller Abscheu "gezwungener Maßen, rein jobmäßig" diesen Mist schauen muss (was wir aus dem deutschen Feuilleton zu Hauf kennen). Nö, Sullivan bekennt Fan von Real World zu sein und von Axl Rose. Das hält ihn nicht ab, sich selbst den Spiegel vors Gesicht zu halten und messerscharf zu analysieren.  Er schreibt darüber, wie er mit Bunny Wailer kifft (Das macht er praktisch dauernd.) und sich final mit ihm überwirft oder wie ihn Andrew Lytle (Jetzt weiß ich etwas über die Southern Argrariens, voll unnütz, voll gut.) eines Nachts sexuell schockiert. Das tut seiner Sicht auf deren Werk aber überhaupt keinen Abbruch. Voller ehrlicher Verehrung bringt er die Personen hinter den öffentlichen Bildern, die man in Sekundenschnelle bei Wikipedia abrufen kann, zum Leuchten.

So wie ich eigentlich keine Sachbücher lese, lese ich erst Recht keine über die Anfänge des Blues (war nie meine Musik, bis Jack White kam.), über den Southern Death Cult (wobei etwas Hintergrundwissen bei True Blood sicher nicht schaden kann...) oder die Mississippi-Kultur. Da würde ich mir doch erst mal was über die Kelten oder Slawen anlesen, bevor es mich nach Amerika verschlägt. Aber Sullivan schafft es. Ich widme mich über Seiten eben diesen Themen und finde sie auch noch spannend.

Bitte gebt mir mehr unnützes Wissen, das so spannend, locker, klug und witzig und subjektiv daher kommt. Ich lerne gern. 







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